Home » HdS-News » Lust auf Entschleunigung?

Lust auf Entschleunigung?

Während des zweiten Semesters meines Studiengangs ‚Soziale Arbeit’ an der Hochschule Niederrhein entwickelte sich der Wunsch, mein Praxissemester im Ausland zu absolvieren. Zu Beginn meiner Vorbereitungsphase wollte ich ein Projekt in Afrika machen, um mir ein eigenes Bild von diesem vielseitigen Kontinent zu verschaffen. Leider musste ich aus Kostengründen meinen Radius auf Europa verkleinern. Ich versuchte über private und berufliche Kontakte sowie weitere Recherche eine passende Praxisstelle zu finden, wo ich meine Sprachkenntnisse Englisch und Deutsch einsetzen konnte. Ich bekam eine Zusage in Italien im ‚Haus der Solidarität’. Ein paar organisatorische Hürden bezüglich des Praktikumbeginns waren zwischen Hochschule und Praxisstelle zu regeln, doch da die Hochschule sehr flexibel und kooperativ reagierte, konnte ich meine Stelle im Juni 2018 beginnen.

Unterkunft, Alltag und Freizeit:

Nach einem einwöchigen Besuch bei meiner Großfamilie, wohnhaft in Südtirol, kam ich am 3. Juni 2018 in Brixen an, wo ich meine Unterkunft bei einem Mitarbeiter während meiner Praktikumszeit hatte. Bevor ich zum Treffpunkt meiner Unterkunft fuhr, blieb noch etwas Zeit um sich schon einmal die historische Altstadt mit ihren Lauben anzuschauen, den Domplatz und dazu entdeckte ich für mich die beste Eisdiele, „Eisdeale Pradetto“, mit dem weltbesten Gelato Eis. Die ich nur weiterempfehlen kann und die eine beliebte Anlaufstelle während des Sommers in Brixen wurde. Die Unterkunft und Verpflegung wurde mir von meiner Praxiseinrichtung gestellt und bestand aus einer eigenen Etage im Keller, mit Zimmer, Bad und Wintergarten. Die Gastfamilie bestand aus 7 Personen und in der unteren Etage wohnten die Eltern meiner Gastfamilie. Am Abend aß ich immer gemeinsam mit der Familie, jedoch blieb es mir freigestellt auch etwas selbst zu machen. Ich fühlte mich relativ schnell wohl, da sie mich gut aufnahmen und mich zu Ausflügen einluden, um die Region besser kennen zu lernen. Zudem brachte mir der 12-jährige Sohn Grundkenntnisse in Italienisch bei.

Brixen ist ein netter kleiner Ort, an dem man sich schnell zurechtfindet. Von Brixen aus erreicht man in einer halben Stunde das Skigebiet Plose und etwa eine Stunde das Skigebiet Gitschberg-Jochtal. Wir hatten einen wunderschönen Sommer wodurch man viele Ausflüge zu bekannten Seen wie der Montiggler See bei Eppan, Kalterer See oder den faszinierenden Caldonazzosee in Trient. Die Menschen sprechen großenteils beide offiziellen Landessprachen, also Deutsch und Italienisch. Dabei wird in der deutschen Gruppe aber vor allem Südtiroler Dialekt gesprochen.

Die Lebenshaltungskosten in Südtirol sind verhältnismäßig hoch. Im Supermarkt sind die meisten Lebensmittel teurer als in Deutschland. Ich hatte Glück, dass meine Praxisstelle mir eine Unterkunft zur Verfügung stellte, da ich während meines Praktikums und durch die Arbeit mit den Gästen vom Haus der Solidarität erfuhr, wie schwer sich die Wohnungssuche in Brixen und Umgebung gestaltet. Der private Wohnungsmarkt ist leider sehr knapp und teuer, so dass man in Brixen oder Bozen kaum ein Zimmer unter 400,- Euro findet. Der öffentliche Nahverkehr ist relativ günstig, wenn man eine sogenannte Wertkarte besitzt. Auch andere Städte in Italien, wie z.B. Verona oder Venedig, sind mit dem Zug gut und schnell z.B. für einen Wochenendbesuch zu erreichen.

Praktikum:

Ich habe mich für das Praktikum im Haus der Solidarität entschieden, weil es für mich interessant war mit einer großen Bandbreite von verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Problemen zu arbeiten. Zudem sind im Haus noch andere Organisationen und Projekte untergebracht, so dass ich die Möglichkeit hatte viele soziale Projekte kennen zu lernen. Zu Beginn brauchte ich ca. 3-4 Wochen, um verschiedene Abläufe, die Struktur, sowie einige gesetzlichen Grundlagen kennen zu lernen. Meine Aufgaben waren sehr vielseitig, neben zugewiesenen Aufgaben oder Projekten, konnte ich auch noch eigene Projekte initiieren. Zu meinen Kernaufgaben gehörten Recherchearbeiten zu verschiedenen Themen, Öffentlichkeitsarbeit, Begleitung von Gästen, ein Kreativ-Projekt, die Organisation des Interkulturellen Abends und Aufnahmegespräche. Zudem nahm ich an Fall – Supervisionen teil und es gab einmal in der Woche eine Hausleitungssitzung, indem sich über alles Wichtige ausgetauscht und sich nach dem aktuellen Wohlbefinden gefragt wurde. Es war eine sehr angenehme Atmosphäre in diesem kleinen Team zu arbeiten. Etwas schade ist allerdings, dass ich wegen meiner geringen Italienisch-Kenntnissen in manchen Situationen mit meiner Arbeit etwas eingeschränkt war, so dass ich manchmal mit Händen und Füßen kommunizierte, da einige Gäste nur Italienisch verstanden. Jedoch kam ich in vielen Situationen auch mit meinen guten Englischkenntnissen weiter, besonders bei Gästen vom afrikanischen Kontinent.

Fazit:

Ich kann aus eigener Erfahrung nur jedem empfehlen so früh wie möglich mit der Planung und Vorbereitung anzufangen, so dass man sich den Wunsch ins Ausland zu gehen erfüllen kann. Ich würde jederzeit wieder ins Ausland gehen und kann jedem nur raten diese Chance zu nutzen. Ich weiß schon jetzt, dass ich nicht zum letzten Mal für längere Zeit im Ausland war, weil ich große Freude daran habe, neue Sprach- und Kulturkreise kennen zu lernen und dies unbedingt weiter ausbauen möchte. In der Gesamtsicht war der Auslandsaufenthalt eine enorme Bereicherung, das Praktikum war vielseitig und hat mich sowohl persönlich als auch fachlich weitergebracht. Ich konnte weitere Berufserfahrungen sammeln, meine Sprachkenntnisse verbessern, viele neue Leute kennenlernen, ein neues Netzwerk aufbauen und mich persönlich weiterentwickeln.

Ich kann anderen Studierenden, die Lust auf ein bisschen Entschleunigung, viel Natur und sehr nette Menschen haben (entgegen den weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber Südtiroler/innen, habe ich die Bewohner/innen als sehr freundliche und offene Menschen erlebt), einen Auslandsaufenthalt in Brixen nur ans Herz legen. Südtirol bietet mit seiner interessanten kulturellen und sprachlichen Mischung, der abwechslungsreichen Küche, der Weinkultur und natürlich der faszinierenden Berglandschaft alles, was einen Aufenthalt besonders macht.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*