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Bringen Scherben Glück?

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Liebe Freundinnen und Freunde

des Hauses der Solidarität “Luis Lintner”,

Steine, Scherben, Smaragde – sie stranden vor den Ufern Kalabriens und Siziliens. Sie stranden dort, wie tausende Flüchtlinge aus den Krisenregionen.

Je nach BetrachterIn sind es eben Steine, Scherben, Smaragde oder Migranten, Problemfälle, Menschen. Wir im Haus der Solidarität betrachten sie als letzteres. Wir versuchen – so gut es geht – sie zu begleiten: bei der Arbeits- und Wohnungssuche, d er Aufarbeitung ihrer Traumata, beim Ankommen in einer neuen Welt.

scharfer Müll, verletzend und kalt. So schwemmte sie das Meer ans Land. Kantig fielen sie ins Wasser. Kantiger, kalter Müll. So werden oft auch jene wahrgenommen, die im HdS ein- und ausgehen. Bei hunderten Gesprächen, gemeinsamen Aktivitäten und Arbeiten geben wir – ehrenamtliche und hauptamtliche MitarbeiterInnen – uns viel Mühe, diese Verletzungen aufzuarbeiten.

matt und unscheinbar. Wer diesen Stein in der Hand wiegt, sieht ein schmuckloses Nichts. Wer ihn nass macht, entdeckt dahinter einen Glitzerstein. Das HdS ist als Ort der Begegnung Wasser, das das Schöne eines jeden ans Tageslicht zu bringen trachtet. Zahlreiche Kinder, Jugendliche und Erwachsene begegnen Woche für Woche den HdS-Gästen und sehen hinter den abgetragenen Kleidern, den verhärmten Gesichtern, den sorgenvollen Mienen plötzlich Glitzersteine.

hart und kantig. Welle um Welle wurden die Scherben vor- und zurückgetrieben, zwischen Muscheln und Kies aufgerieben, abgeschliffen und abgerundet. Irgendwann waren sie glatt und rund, fein wie Schmeichler. Eine Verwandlung wie diese findet auch im HdS manchmal statt. Die Organisation, die vor genau 15 Jahren gegründet wurde, beendet ihre Pionierphase. In einem aufreibenden Prozess, der oft auch wehtut, sind wir dabei, das HdS neu zu ordnen und zu strukturieren, um dem Auftrag der GründerInnen auch in Zukunft gerecht zu bleiben: für Menschen da zu sein, die es in ihrem Leben schwer haben; Organisationen, die sich für ein gutes Leben aller einsetzen, Dach zu bieten; eine Werkstatt zu sein, für neue Ideen.

vielfältig und wertvoll. Hinter den Glasscherben verbergen sich viele wertvolle Stoffe. Voller wertvoller Talente sind auch die Jugendlichen, die seit Herbst im Rahmen der Jugendinitiative Afzack im HdS ein- und ausgehen. Sie haben sich “ihren” Raum inzwischen selbst gestaltet. Hier können sie SEIN: Wenn es Stunk zuhause oder mit Freunden gibt, wenn Langeweile droht und sie etwas Sinnvolles tun wollen, wenn sie Zeit mit Gleichaltrigen verbringen wollen. Afzack wird von professionellen Pädagogen geleitet und begleitet.

klar und durchsichtig. Das sind weitere Eigenschaften von Glas. Eine Art Fenster ist auch das HdS: Es verbindet die Welt hier bei uns mit jener von außen. Es ist aber auch eine Brücke zwischen dem Jetzt und der Zukunft. Etwa mit dem neuen Projekt Otelo, das das HdS gemeinsam mit der oew fördert. In vier Räumen können Menschen einen kostenlosen, offenen Raum für kreative Aktivitäten nutzen. Es ist ein geschützter Entwicklungs- und Experimentierraum für gemeinsames Schaffen. Mit diesem einfachen Rahmen möchte Otelo die Voraussetzung schaffen, Personen jeden Alters bei der Entwicklung, Vertiefung und Umsetzung eigener Ideen zu unterstützen und zu begleiten. Hier sollen Begegnung, Austausch und gemeinsam erlebte Inspiration möglich werden.

verletzend und unscheinbar. Wer denkt bei Glas schon daran, dass es bis zu 70%aus Sand besteht? Aus Sand – und anderen Materialien – kann man ein Haus bauen, – Sand im Getriebe ist ein Synonym für Behinderung und Zerstörung. Manchmal sehen wir Menschen, die anders sind als wir, als störend und hinderlich für Fortschritt und Entwicklung. Eine solche Haltung kann – wie ein scharfer Glassplitter – verletzend und gefährlich sein. Wer weiß, vielleicht erkennt unsere Gesellschaft irgendwann auch die Chance, die die Zeit von heute im Gepäck hat und wagt so den Aufbruch in ein neues Zeitalter, das zu einem guten Leben für möglichst viele führen kann. Seien wir also hellhörig und weise, damit wir die Zeichen der Zeit erkennen und den Blick für die Unterscheidung der Geister schärfen – zum Wohle des Individuum und der Gemeinschaft.

Inzwischen danke ich für den gemeinsamen Weg und freue mich, alle UnterstützerInnen und Freunde des HdS persönlich begrüßen zu dürfen.

Andreas Penn (Vorsitzender des HdS)

PS: Danke an die Firma Rabensteiner. Das Glashaus, die die Kosten für diesen Brief übernahm. So ersparen wir uns Geld, das wir stattdessen für die Arbeit mit den Gästen des Hauses der Solidarität verwenden können.

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