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Das Ende vom HdS-Gartenprojekt „Pachamama“ oder vom Loslassen

CIMG0620 (Klein)Liebe UnterstützerInnen und Interessierte am Gartenprojekt des HdS,

das Pflänzchen „Pachamama“, das Ihr/Sie mit viel Wohlwollen begleitet und unterstützt habt/haben, das Ihr/Sie wachsen und gedeihen saht/sahen, steht vor dem Ende. Dieses Pflänzchen geht zwar nicht ein, verlängert aber seinen Winterschlaf(mit der Möglichkeit, dass es wieder erwacht oder für immer schläft).

Bevor ich aber auf den Grund dieser Entwicklung und Entscheidung zu sprechen komme, möchte ich einen kurzen Gedanken einschieben, den ich kürzlich gelesen habe:

Auf dem Holzweg?

„Was machen wir, wenn wir merken, dass wir auf einem Holzweg unterwegs sind? Wenn wir merken, dass wir einen Fehler gemacht haben? Wenn wir unser Schiff auf den falschen Kurs gesteuert haben? – Aufhören? Umkehren? Das Ruder herumwerfen?

Ja, das wäre klug. Aber interessanterweise halten wir Menschen allzu oft am falschen Kurs fest, sogar wenn wir wissen, dass er falsch ist! Wir tun uns unglaublich schwer mit dem Umkehren. Die Historikerin und Pulitzer-Preisträgerin Barbara Tuchman hat über dieses Phänomen ein beeindruckend kluges Buch geschrieben: „Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam“. Sie beschreibt darin „den geistigen Stillstand“, der die Regierenden beispielsweise dann befällt, wenn ihre Armeen in einem Krieg bereits einen furchtbar großen Blutzoll bezahlt haben. Selbst wenn die Chancen auf ein siegreiches Ende immer weiter schwinden, hören sie nicht auf, weiter Soldaten in die tödliche Falle zu senden.

So viel investiert

Barbara Tuchman liefert die Antwort: „Je größer der Einsatz und je stärker sich das Ich des Verantwortlichen engagiert, desto unannehmbarer ist ein Disengagement.“ – Ins Konkrete übersetzt heißt das beispielsweise: Jetzt haben wir in dieses Projekt so viel investiert. Würden wir es jetzt ohne Ergebnis abbrechen, dann hätten wir Geld, Zeit, Energie zum Fenster herausgeworfen!

Wir müssen lernen loszulassen! Wir müssen uns klar machen, dass unsere Kosten der Vergangenheit unwiederbringlich ausgegeben sind. Wir müssen verstehen, dass wir jeden Tag auf’s Neue entscheiden, ob wir einen Weg weitergehen wollen, völlig unabhängig davon, wie lange wir ihn bereits gegangen sind und wie beschwerlich er bislang war.

Deshalb ist es eine sehr gute Idee, wenn wir uns hin und wieder mal fragen: Tun wir in unserem Leben möglicherweise etwas nur deshalb, weil wir sonst etwas verlieren oder aufgeben müssten? Oder tun wir es, weil wir eine realistische Chance darauf haben, etwas zu bekommen? Verlustangst oder Wagemut?

Wenn unsere Haltung eher die Erstere ist, dann mögen wir bedenken, dass diese Haltung uns am Ende noch deutlich mehr kosten könnte, als uns lieb ist. Und dass nur die zweite Haltung uns dazu führt, etwas zu tun, was uns wirklich erfüllt.

Loslassen?

Wir haben uns lange und ausführlich mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Und nach langem Abwägen sind wir zum Schluss gekommen, dass zumindest heuer das Gartenprojekt „Pachamama“ nicht sein soll. In unserem Fall kann man wohl nicht primär von einem Fehler sprechen. Wir haben Pachamama nicht einfach durchgezogen, ohne dass die Betroffenen das wirklich wollten. Das ist so sicherlich nicht überall der Fall. Schwankungen, Veränderungen und Pausen sind wohl ein natürlicher Teil von uns Menschen und noch viel mehr von der Zielgruppe, mit der wir arbeiten. Zuviel haben wir probiert, um es ins 3. Jahr zu führen, wenig ist uns gelungen.

Guter Start

Zunächst schaute es noch gut aus:

  • Wir haben schon im Herbst einen hervorragenden Experten gefunden, der bereit gewesen wäre, sein Know How den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.
  • Über die Caritas-Freiwilligenbörse hatte sich eine Person gemeldet, die eine Passion für die Gartenarbeit besitzt und bereit wäre, die Mitarbeiter täglich zu begleiten.
  • Noch vor Weihnachten hatten wir vier Kandidaten zusammen, die mitarbeiten wollten.
  • Wir hatten die Zusage von der Abteilung deutsche Berufsbildung für die Finanzierung dieser 4 Mitarbeiter in der Form von 500-Stunden Praktika.
  • Wir hatten erneut die Zusage für die 3 Gärten/Felder.
  • Schließlich hatten wir einmal mehr die Zusage der Sozialgenossenschaft Oasis, uns mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Rückschläge

Doch dann kamen die Rückschläge:

  • Von den 4 Kandidaten sprangen nach den 2 ersten Treffen bereits 2 ab: Der eine, weil er in Bozen eine Unterkunft gefunden hatte, der andere, weil er es sich anders überlegt hatte. Eine 3. Kandidatin ließ bereits anklingen, dass sie wohl nicht weiter machen möchte.
  • Die Suche nach neuen Kandidaten, auch mit Einbezug anderer Dienste, war nicht erfolgreich.
  • Die Erwartungen an den Freiwilligen zerplatzten aus Gründen persönlicher Natur.
  • Eine andere Art der Begleitung brachten wir nicht zustande, obgleich wir uns sehr bemühten: indem wir Freiwillige suchten, die Finanzierung für eine Teilzeitkraft aufzustellen versuchten, einen Pool von passionierten Pensionisten organisieren wollten, eine Gruppe von StudentInnen aus Oberschule oder Agrarfakultät zusammenzustellen probierten, … .
  • Die Ressourcen der Hausleitung sind begrenzter denn je, als dass sie eine Wiederholung des Konzeptes vom vorigen Jahr ermöglicht hätten.

Intensive Lösungssuche

2 Monate intensive Lösungssuche brachten uns im Grunde nicht weiter. Daher haben wir nunmehr entschieden, vorläufig für heuer „Pachamama“ nicht neu aufzulegen. Die Hauptgründe hierfür sind:

  • Der Mangel an Interesse seitens potenzieller MitarbeiterInnen bzw. der Mangel an Mitarbeitern, die eine geringe Begleitung (und nicht eine geschützte Werkstätte) ermöglichten.
  • Das Scheitern, eine professionelle Begleitung zu gewährleisten.
  • Die Begrenztheit der Ressourcen des HdS.
  • Wir sind weiterhin überzeugt, dass dieses kleine Projekt einen mehr oder weniger großen Beitrag für die Gesellschaft leisten könnte. Wir möchten nur daran erinnern …
  • Menschen in schwierigen Lebenslagen und allesamt multiplen Problemen haben mehrere Monate lang eine geregelte Beschäftigung. Für alle ist diese Erfahrung eine Ausnahme in ihrem bisherigen Leben.
  • Die Arbeit in der Natur und damit in einem positiven Umfeld, das nicht den Eindruck erweckte, therapeutisch zu sein, es de facto aber ist. Die Mitarbeiter erlebten konkrete, positive Ergebnisse (z.B. in der Form von gepflegten Feldern und Gärten, als Ernte, usw.).
  • Sie konnten neue Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen, etwa über Pflanzen, Anbaumethoden, biologische Landwirtschaft, usw. Die Mitarbeiter erfuhren einen strukturierten Tagesablauf. Sie mussten Verantwortung übernehmen.
  • Die Männer erfuhren in der Zusammenarbeit mit Menschen aus allesamt anderen Kulturen, mit anderen Geschichten und Problemen, was es heißt, friedlich zusammenzuleben. Dabei ergaben sich Synergien für jeden einzelnen: Relativierung der eigenen Problemsituation, gegenseitige Hilfe bei Problemlösung (z.B. wenn ein Mitarbeiter mit guten Computerkenntnissen einem anderen, der diese Fertigkeit nicht hat, Firmen aus dem Internet heraussucht), Lerneffekten.
  • Das Projekt deckte das Grundbedürfnis nach Arbeit. Dies wird bei sozial und gesundheitlich Benachteiligten immer größer und dringender.
  • Sinnvolle Beschäftigung von Menschen, die sich so als Teil der Gesellschaft fühlen und sich besser integrieren.
  • Das Projekt ersparte der Gesellschaft hohe Kosten und viel Energie, die ansonsten etwa wegen zusätzlicher Therapien, zusätzlicher Sozialarbeit und Kosten infolge krimineller Handlungen, usw., anfallen.

Flinte ins Korn werfen?

Vielleicht mag der eine oder die andere auch denken, wir würden die Flinte zu schnell ins Korn werfen. Wir haben jetzt 3 Jahre probiert, eine gute Lösung zu finden. Bisher ist es uns nicht wirklich gelungen.

Wir sind sehr dankbar um die gemachten Erfahrungen. Aus Rücksicht vor uns und unseren Möglichkeiten, sehen wir für heuer allerdings keinen anderen Ausweg. Wir danken Euch/Ihnen an dieser Stelle ganz herzlich für den gemeinsamen Weg und das Verständnis. Wer weiß: Vielleicht blüht das Pflänzchen „Pachamama“ das nächste Jahr von neuem auf.

Alexander Nitz

(Für die Hausleitung)

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