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Grenzen und Chancen der Aufnahmegesellschaft

josef_strickerAm 25. April 2009 referierte der Geistliche Assistent des KVW, Josef Stricker, bei der Vollversammlung des HdS. Hier einige Auszüge aus dem viel beachteten Überlegungen des Arbeiter-Priesters.

Am Anfang muss gesagt werden, dass es wichtig ist, nicht einen idealistischen, sondern einen realistischen Zugang zu diesem Thema zu finden. Unumgänglich dafür scheint eine differenzierte Betrachtungsweise der Probleme, wobei dies sowohl für die Aufnahmegesellschaft gilt als auch für die Migranten. Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass das Ausländerthema der Vernunft nur schwer zugänglich zu sein scheint.

Auffallend sind zwei Extreme, die zu vermeiden sind:
Die Ideologie des Mulit-Kulti, weil es ein konfuses Schlagwort ist und die Schwierigkeiten nicht angesprochen werden.
Die Ideologie der Abschottung zum Zweck der Erhaltung von Identität.

Zu einer differenzierten Betrachtungsweise der Probleme gehört auch, dass man die vorhandenen Ängste ernst nimmt: Angst vor Überfremdung, Angst, im eigenen Land immer weniger sagen zu haben, Angst vor fremden Gebräuchen und Religionen. Immer mehr Bevölkerungsgruppen pochen auf ihre Identität. Allerdings ist keineswegs klar, was unter diesem Schlagwort zu verstehen ist.

Vielleicht sind die oft gehörten Begriffe „Patriotismus“, „Heimat“ und „Identität“ Versuche, mit diesen Ängsten fertig zu werden. Auch hier gilt eine differenzierte Betrachtungsweise, denn Patriotismus als Einstellung und das Politisch-Rechts-stehen sind auseinanderzuhalten.

Folgende vier Regeln können beim Thema „Migration“ hilfreich sein

Regel Nummer 1: Wir dürfen nicht den Fehler begehen, Begriffe wie Identität, Heimat, Patriotismus als rechtslastig einzustufen.

Vielmehr sind diese Begriffe als moderne Zufluchtsorte für den abhanden gekommenen Himmel zu bezeichnen. Als eine Antwort auf die Globalisierung, die heimatlos macht. Denn Menschen brauchen Heimat, einen Ort, wo sie verwurzelt sind und Wurzeln schlagen können.

Realistisch gesehen, muss man auch die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Staaten erkennen. Wie viele Ausländer kann eine Gesellschaft vertragen?

Regel Nummer 2: Die moderne Wanderungsbewegung muss politisch gelenkt, gesteuert, eingebremst werden. Anders geht es nicht.

Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass es politisch gelenkte Wanderungsbewegungen schon früher gab. Europa war Jahrhunderte lang ein Auswanderungskontinent und Ludwig XIV. zum Beispiel hat die Auswanderung von Facharbeitern verboten.

Die Probleme liegen darin, dass die EU keine einheitliche Einwanderungspolitik verfolgt und man zwischen politisch Verfolgten (Asylsuchenden) und Wirtschaftsmigranten unterscheiden muss. Asylanten kann man nämlich nicht kontingentieren.

Eine weitere Schwierigkeit stellt die Frage dar, wie man eine gezielte Einwanderungspolitik mit der Rechtsstaatlichkeit in Einklang bringen kann?

Regel Nummer 3: Die ablehnende Haltung der einheimischen Bevölkerung gegenüber Fremden lässt sich nur in dem Maße abbauen, wie die Einwanderer sich um Akzeptanz bemühen.

Das Bemühen der Einwanderer sollte dahin gehen:
zumindest eine Landessprache gut zu erlernen;
einer geregelten Arbeit nachzugehen;
beim Leben von eigenen Sitten und Gebräuchen nicht provozierend zu wirken;
eine starke Portion Einfühlungsvermögen in die Gefühlslage des jeweils anderen zu haben (es gilt für beide Seiten).

Regel Nummer 4: Ein halbwegs zivilisiertes Zusammenleben zwischen Einheimischen und Fremden wird es nur auf der Grundlage von klaren Vorstellungen und Vereinbarungen geben.

Die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Integration kann heute in keinem Land und auf keiner Seite mehr vorausgesetzt werden. Von großen Teilen der europäischen Bevölkerung wird das Ziel der Integration nicht akzeptiert.
Es ist deshalb wichtig klarzustellen: Was heißt Integration? Was ist dabei zu beachten?

Drei Modelle: Assimilierungsmodell, Distanzmodell, Integrationsmodell

a) Das Assimilierungsmodell ist als unmenschlich zu betrachten und kann daher weder angestrebt noch als eine Erfolg versprechende Lösung angesehen werden.

b) An den Konflikten in Frankreich mit seinen zahlreichen Brandanschlägen kann man ablesen, dass auch das Distanzmodell mit seinen getrennten Parallelwelten nicht als nachhaltig betrachtet werden kann.

c) Folglich bleibt also nur mehr das Integrationsmodell. Heutzutage ist allerorts davon die Rede, wenngleich nicht selten völlige Anpassung oder sichere Distanz damit gemeint sind. In einem Rechtsstaat müssen alle Identitäten das Recht besitzen, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, ein bestimmtes Eigenleben zu führen und so die Wurzeln ihrer Herkunft nicht verleugnen zu müssen. Auch wenn es im Bereich der Integrationsarbeit viele mühsame Kleinarbeit braucht, die nicht ohne Schwierigkeiten sein wird – es gibt keine Alternative dazu!

 

Josef Stricker: Der gebürtige Vinschgauer ist der geistliche Assistent des KVW und als solcher im ganzen Land durch seine Vortragstätigkeit zu sozialpolitischen Themen bekannt. Er ist auch als freier Mitarbeiter des Katholischen Sonntagsblattes tätig. Aufgrund seiner Auseinandersetzung zu Fragen der Migration hat ihn das HdS zur Vollversammlung eingeladen.

Jede Migration führt zu Konflikten, unabhängig davon, wodurch sie ausgelöst wird, welche Absicht ihr zugrunde liegt, ob sie freiwillig geschieht und welchen Umfang sie annimmt. Gruppenegoismus und Fremdenhass sind anthropologische Konstanten. Ihre universelle Verbreitung spricht dafür, dass sie älter sind als alle uns bekannten Gesellschaftsformen. Um Blutbäder zu vermeiden, um überhaupt ein Minimum von Austausch und Verkehr zwischen verschiedenen Clans, Stämmen, Ethnien zu ermöglichen, haben altertümliche Gesellschaften die Tabus und Rituale der Gastfreundschaft erfunden. Der Gast ist heilig, aber er darf nicht bleiben.
                                                                                                                                                Hans Magnus Enzensberger

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