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Mutter Erde

 

Luzi

Ein kurzer Bericht über die Fortsetzung der Arbeit Luzis in Südtirol und im Süden.

Liebe Freunde Luzis,

zum 3. Mal hat sich am 3. Februar der Tod unserer Luzi gejährt. Noch immer fällt es  schwer sich einzugestehen, dass sie nicht mehr unter uns ist. Noch immer kommt es vor, als müsste sie jeden Moment an der Haustür stehen und sagen: „Hier bin ich!“ Stattdessen klingen die traurigen Worte nach: „Der Erde bist dugenommen, zurErde kehrstduzurück.

 

Erde. Als Kind einer Rittner Bauersfamilie wuchs Luzi eng verbunden mit der Erde auf. Dies blieb ihr Leben lang so: Wenn sie in Bolivien mithalf, aus Lehm Ziegel herzustellen; in Brasilien bei den Sem Tierra (der Landlosenbewegung) mit auf die Felder ging, um die ausgetrockneten Böden zu bearbeiten; in der peruanischen Hauptstadt Lima in einem Behindertenprojekt der Wüste ein Stück Garten abzutrotzen suchte; oder im Hinterhof des Hauses der Solidarität (HdS) einen kleinen Permakulturgarten anlegte. Erde war, neben Wasser, ein Lebensthema Luzis.

In diesem Brief geht es um Erde. Symbolisch findet sich daher in diesem Brief eine Brise Erde aus Südamerika – Erde von Luzis zweiter Heimat und ihrer letzten. Die Kuverts gestaltete der „Tailler Luzy Lintner“ aus dem peruanischen Huaraz (siehe unten). Das Material ist recycelt.

Luzis Spuren in Huaráz/ Peru.

Es ist erstaunlich wie viele Spuren Luzi  hinterlassen hat. Jede Spur ist anderes. Es kann ein Satz, eine Umarmung, eine Handlung, eine Anekdote, ein Lachen oder eine Geste sein. In Huaráz/Peru tragen viele Menschen, eine Spur Luzi’s in sich.

„Fraternidad“ (Verein für Menschen mit Behinderung)

Besonders die Menschen der „Fraternidad“ waren berührt von Luzis Wohlwollen und strahlendem Optimismus.

Luisa 38 Jahre alt, die durch einen Virus in der Wirbelsäule, seit ihrem 15. Lebensjahr im Rollstuhl ist, erinnert sich: „ Wenn ich an Luzi denke, dann höre ich ihre Stimme und sehe wie ihre Augen lachen. Manchmal kommt sie mich im Traum besuchen und spricht mir Mut zu. Sie hat immer ganz fest daran geglaubt, dass ich gesund werden kann. Ich weiß auch: eines Tages werde ich wieder gehen können“.

Als Luisa Luzi kennenlernte, hatte sie Angst vor dem Wasser. Sie war noch nie zuvor in einem Schwimmbad gewesen. Luzi ermutigte die Menschen der Fraternidad  zu einem Ausflug ins Schwimmbad Monterry. Sie war überzeugt, dass die Bewegungen im warmen Wasser den Menschen mit den unterschiedlichen Behinderungen gut tun würden. Tatsächlich fühlten sich die Menschen im Wasser wohl, frei und leicht. Einige konnten sogar ein wenig ihre Beine bewegen.

Die Fraternidad organisiert seitdem jeden Donnerstag in der Trockenzeit den Ausflug ins Schwimmbad Monterry. Solidaritätsbesucher aus Südtirol und Freiwillige aus Huaráz begleiten sie und helfen beim Baden und Duschen, beim Rollstuhl stemmen usw..

Luisa ist nun seit fast 2 Jahren die Koordinatorin des Sozialprojektes Sembradores in Huaráz. Die wöchentlichen Ausflüge der Fraternidad ins Schwimmbad, die von Luzi vor vielen Jahren initiiert worden sind, sind Teil des Projektes. Für Luisa ist dies ihre erste richtige Arbeit.

Werkstatt für Menschen mit Behinderung Asosación „Luzia Lintner“

Die Werkstatt wurde mehrere Monate vor Luzis Tod gegründet. Alice, langjährige Mitarbeiterin des Sozialprojektes Sembradores und Freiwillige bei der Fraternidad, hatte die Idee diese Werkstatt zu gründen. Alice lag es ganz besonders am Herzen, dass auch Menschen mit Behinderung, ihre Fähigkeiten einsetzen können. In Peru ist es üblich jedem Verein, und jeder Gruppe einen Namen zu geben. Als Luzi starb waren sich alle einig, dass die Werkstatt den Namen Luzis tragen sollte.

Die Werkstatt ist Heimat für fünfzehn Menschen mit Behinderung geworden, so auch für Diana. Diana ist 37 Jahre alt und leidet unter Kinderlähmung. Die Familien können oft mit der Behinderung eines Kindes nicht umgehen, sie schämen sich und empfinden die Krankheit als Strafe. Diana wurde seit ihrer Kindheit für ca. 23 Jahre von ihrer Familie zu Hause versteckt. Niemand wusste von ihr. Diana kannte weder die Stadt in der sie wohnte noch andere Menschen außer ihrer Mutter und ihre Schwestern. Diana war nie in einer Schule. Vor einigen Jahren erfuhren Mitglieder der „Fraternidad durch Zufall von Diana. Sie besuchten die Familie und versuchten ganz langsam die Mutter davon zu überzeugen, dass Diana nicht ihr ganzes Leben in einem geschlossenen Raum verbringen soll. Sie besorgten einen Rollstuhl für Diana und so kam es, dass Diana nach Jahren das Haus verlassen konnte. Seit zwei Jahren ist Diana ein Mitglied der Werkstatt „Luzia Lintner“. Die Gruppe sammelt regelmäßig den Müll der Stadt. In Zusammenarbeit mit der Organisation „Ciudad saludable“ (Saubere Stadt) werden Papier, Metalldosen und Plastikflaschen.  verkauft. Aus anderen Müllresten, wie Verpackungsmaterialien, stellt die „Asociación Lucia Lintner“ verschiedene Produkte her: Geldbörsen, Taschen, Griffelschachteln, Bilderrahmen und Hüte. Jeden Samstag kommt die Gruppe zusammen, um zu arbeiten, sich auszutauschen, gemeinsam zu essen und die Gemeinschaft zu leben. Jeder einzelne kann einen Betrag zur Arbeit leisten, ganz gleich welche Behinderung er hat. Schritt für Schritt entwickelt jeder das Gefühl ein wertvolles Leben zu führen.

Seit Luzi das erste Mal in Huaráz war, hat sich das Sozialprojekt weiterentwickelt und verändert und doch trägt es Luzis Spur in sich. Neben Luisa arbeiten noch weitere 5 einheimische Mitarbeiter im Projekt, sowie einige Freiwillige. Das Sozialprojekt Sembradores in Huaráz umfasst neben der Asosación Luzia Lintner, 3 Nachmittagsbetreuungen für Kinder, 3 Jugendgruppen, Physiotherapie für Menschen mit Behinderung und Kinder mit Zerebralparese, sowie Notfallhilfe bei akuten gesundheitlichen Problemen.

Die Spuren Luzis sind in Huaráz spürbar. Es sind keine Sandspuren, die im Wind verwehen. Vielmehr sind es Spuren, die nie verwischen können da sie in den Herzen der Menschen fest verankert sind. Und aus diesen Spuren entsteht immer wieder Neues.

Hier wächst Arbeit

Neues entstand voriges Jahr auch im HdS, nämlich das Gartenprojekt „Pachamama – Mutter Erde“. Auch hier hat Luzi Spuren hinterlassen, denn sie hat im HdS immer wieder mit Gartenarbeit herumexperimentiert…

„Auf diesem Feld gedeiht mehr als Gemüse und Bäume. Hier wächst Arbeit für Menschen in schwierigen Lebenslagen.“ Diesen Hinweis können Spaziergänger und Wanderer seit Frühjahr 2010 beim Vogelsanghof auf der Straße nach St. Andrä lesen. Es ist einer von drei Feldern bzw. Gärten, auf denen vier Langzeitarbeitslose gemeinsam mit einer Begleitperson und einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin sowie unter Aufsicht eines landwirtschaftlichen Experten Gemüse biologisch anpflanzen. Der Name des Projektes „Pachamama“ oder „Mutter Erde“.

Initiiert hat das Projekt das Haus der Solidarität (HdS) gemeinsam mit der Sozialgenossenschaft Oasis. Ermöglicht wird es von den Besitzern der Grundstücke. Sie stellen die Felder für dieses Arbeitsintegrationsprojekt kostenlos zur Verfügung. Bearbeitet wird es von Langzeitarbeitslosen, psychisch Kranken, Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, Haftentlassenen – inländischen und ausländischen Mitbürgern. Unterstützer sind lokale Institutionen wie der Franziskaner-Orden oder die Gärtnerei Planta. Beide haben dem Projekt die Pflanzen geschenkt. Die Ernte kommt wiederum dem HdS zugute.

Menschen am Rande finden immer schwieriger den Weg in den Arbeitsmarkt. Hier möchte das HdS ansetzen. Dank „Pachamama“ gehen die Langzeitarbeitslosen einer geregelten Beschäftigung nach. Für sie ist diese Erfahrung eine Ausnahme in ihrem bisherigen Leben: Die Mitarbeiter erfahren einen strukturierten Tagesablauf. Sie müssen Verantwortung übernehmen (z.B. in der Freizeit die Pflanzen gießen). Sie erlernen neue Fähigkeiten und Fertigkeiten, etwa über Pflanzen, Anbaumethoden, biologische Landwirtschaft, usw.

Hinzu kommt, dass die Arbeit in der Natur und damit in einem positiven Umfeld, das nicht den Eindruck erweckt, therapeutisch zu sein, es de facto aber ist, sie ganzheitlich festigt. Die körperliche Tätigkeit führt zum Abbau überschüssiger Energien, Aggressionen und stärkt die Psyche. Die Mitarbeiter erleben konkrete, positive Ergebnisse (z.B. in der Form von gepflegten Feldern und Gärten, als Ernte, usw.).

Abgesehen davon weist „Pachamama“ in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten auf: Die Männer erfahren in der Zusammenarbeit mit Menschen aus allesamt anderen Kulturen, mit anderen Geschichten und Problemen, was es heißt, friedlich zusammenzuleben. Dabei ergeben sich Synergien für jeden einzelnen: Relativierung der eigenen Problemsituation, gegenseitige Hilfe bei Problemlösung (z.B. wenn ein Mitarbeiter mit guten Computerkenntnissen einem anderen, der diese Fertigkeit nicht hat, Firmen aus dem Internet heraussucht), Lerneffekte. Insofern ist das Projekt ein Beispiel konkret gelebter Integration.

Und „Pachamama“ war wiederholt Schauplatz von typischen HdS-Geschichten: Auf einem Grundstück, das die Gruppe Pachamama bearbeitet, wachsen ein paar Apfelbäume. Es handelt sich um eine alte Sorte, seit Jahren schon unbehandelt. Als die Äpfel reif waren, pflückten sie die Mitarbeiter. Dann brachte sie ein Freiwilliger nach Barbian, wo sie ein Bauer für einen „Solidaritätspreis“ zu Saft presste und in Flaschen abfüllte. Die Caritas-Mensa von Brixen stellte für den Transport das Auto zur Verfügung. Nicht für Geld, sondern für ein paar Flaschen Apfelsaft. Insgesamt kamen 190 Liter heraus. Diese dienten als kleine Geschenke für die HdS-Verantwortlichen und für die Gäste des Hauses.

Doch nicht alles fällt leicht. Die schwerwiegenden sozialen und psychischen Beeinträchtigungen der Mitarbeiter machen eine intensive Begleitung erforderlich. Das HdS kann dies mit seinen eng begrenzten Ressourcen nur teils gewährleisten. Zusätzliche Gelder sind bei allseits vorherrschenden Finanzengpässen nicht aufzutreiben. Nichtsdestotrotz starten in diesen Tagen wiederum die Arbeiten.

Auf diesem Wege danken wir herzlich für Ihre Unterstützung und verabschieden uns auf Luzis Art und Weise:

Seid umarmt!

Alexander Nitz(fürs HdS) Patrick Kofler(für die OEW)

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