Und es dreht sich doch

Die etwas andere Mobilität im HdS.

Immer höher. Immer weiter. Immer schneller. Maßstab und Motto moderner Gesellschaften. Doch nicht alle halten mit. Betrunken vom Leistungsrausch fallen sie aus dem System heraus und bleiben stehen. Einige dieser Menschen enden im Haus der Solidarität (HdS). Mit dem Ziel: wieder in die Gänge zu kommen.

Wider dem Geschwindigkeitsrausch

Geschwindigkeit, Leistung, Bewegung und Stillstand – wichtige Themen im HdS. Nicht nur im übertragenen Sinn. Denn die Mobilität im HdS ist buchstäblich langsam und bedächtig. Dafür vielleicht nachhaltiger. Hauptfortbewegungsmittel sind die Füße, knapp gefolgt von Fahrrädern. Es kommt lange nichts. Dann ein Gemeinschaftsauto, gleich auf mit Bus und Bahn.

Car-Sharing

Geraume Zeit besaß niemand im HdS – abgesehen von den Privatfahrzeugen der Hausleitung – ein Auto. Seit 2008 steht eines im Sinne des „Car-Sharings“ zur Verfügung. Damit erledigen Hausleitung und Gäste Großeinkäufe, fahren zu Terminen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar sind, leihen es sich nach Abendterminen aus, wenn Zug und Bus nicht mehr fahren. Um Müll in den Recyclinghof, Zelte fürs Zugluftfest oder Second-Hand-Ware für den Flohmarkt zu transportieren, leiht sich das HdS von befreundeten Firmen oder Organisationen ein Lieferauto aus.

Karte auf Alternativen setzen

Während viele öffentliche, kirchliche und private Institutionen auf den Individualverkehr vertrauen, und mitunter einen umfangreichen Fuhrpark besitzen, setzt das HdS teilweise bewusst, teilweise gezwungen auf Alternativen. Das geschieht ohne Bedauern oder Ressentiments. Im Gegenteil man nimmt es sportlich und ist zugleich stolz, im Trend der Zeit zu liegen.

Im Zeichen des Rades

Seit 2010 steht das HdS ganz im Zeichen der Fahrräder. Bis vor kurzem verfügte das HdS mit seinen durchschnittlich 45 Gästen über 2 Fahrräder. Diese wurden nur sporadisch genutzt. Oft waren sie kaputt. Nie wusste jemand, wer es war. 2010 schenkten dann Firmen, Orden, Gemeinde und Stadtpolizei gebrauchte Fahrräder. Bald waren es 13. Plötzlich entdeckten die Gäste ein neues Fortbewegungsmittel. Seitdem sind die Räder stets besetzt. Wenn jemand eines dringend braucht, ist bestimmt keines da. Die Gäste fahren damit zu Arbeit, Ämtern, Ausflügen. Eine Hochrechnung ergab, dass die Radfahrer durchschnittlich 5 Kilometer pro Tag fahren. Dies führt wiederum zu CO2 Einsparungen von 315kg pro Monat. Außerdem sparen sowohl Gäste als auch HdS Kosten. Beide geben weniger für Bustickets aus. Zudem erhöht sich die Mobilität der Gäste. Sie können nunmehr Arbeitsstellen – auch Schichtarbeit – bis nach Klausen und Vahrn annehmen, weil sie mobiler waren. Schließlich begann sich die Hausleitung ständig Gedanken zu machen, wo sie noch die Räder einsetzen könnte: beim Bügelservice als Mittel zum Abholen und Hinbringen der Wäsche; beim Gartenprojekt als Transportmittel für Mitarbeiter und Ernte; beim Flohmarktprojekt ebenfalls als Transportmittel für die Second-Hand-Ware; …

Neues Konzept

Kopfzerbrechen bereitete der Hausleitung allerdings das Verleihen der 13 Räder. Sie bewahrte nie den Überblick darüber, wer, welches Rad wo und bis wann hatte. Mindestens einmal pro Woche fielen Reparaturen an. Die Kosten musste stets das HdS übernehmen, nachdem es kaum gelang die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Hausleitung tat daher einen drastischen Schritt. Sie verkaufte alle Räder zu einem symbolischen Preis an die HdS-Radler. Damit legte sie die Verantwortung in die Hände der neuen Besitzer. Diese waren nunmehr verantwortlich für den guten Umgang mit den Rädern und für die Reparatur. Gäste, die kein Rad kauften, können sich, sofern sie eines brauchen, direkt an die Gäste mit Rädern wenden. Der Aufwand für das HdS selbst ist nunmehr Null. Die Gäste selber gehen selbstverantwortlich mit den Rädern um.

Positive Umfragewerte

Eine Umfrage unter den HdS-Gästen zeigte, dass diese mit der HdS-Mobilität durchaus zufrieden sind. Der Großteil bescheinigte, dass das Radfahren ihren Gesundheitszustand verbesserte.

Als Galileo Galilei seinen bekannten Aussprach tat: „Und sie bewegt sich doch!“, bezog er sich auf die Erde. Heutzutage dreht sich alles um das Auto. Das HdS beweist etwas anderes. „Und es bewegt sich doch!“