Vor dem Gesetz

… ohne Hexenschuss zu bekommen, stattdessen mehr Effizienz und Freiheit.

Dem Gesetz nach dem Buchstaben zu folgen, ist nicht Sache des HdS. Für die eigenen Regeln gilt das geflügelte Wort der Italiener: „Fatto la legge – fatto il caso“. Und für Gesetze anderer Instanzen folgt dem Pareto-Prinzip: Die 20 Prozent der Gesetze, mit denen man in 80 Prozent der Fälle zu tun hat, hält man ein. Die übrigen 80 Prozent schaut man schief an.

„Vor dem Gesetz“

Die Einstellung des HdS zum Gesetz lässt sich am besten anhand Kafkas weltberühmter Parabel „Vor dem Gesetz“ zeigen. Ein „Mann vom Lande“ wartet bis zum Lebensende vor dem Gesetz, nur weil ein Türhüter den Eintritt verwehrt. Im Gegensatz zu diesem Mann ist es nicht Sache des HdS, im Labyrinth seines Sicherheitsbedürfnisses gefangen zu bleiben und die Verantwortung auf eine unpersönliche Instanz, nämlich das Gesetz, abzuwälzen. Auch das Einhalten sinnloser Hierarchen und Ordnungen, Zögern, Entschlusslosigkeit und Angst, sind nicht typische Muster des HdS.

Keine Zeit für Regeln

Tatsächlich bleibt in der Realität des Hauses meistens gar nicht die Zeit (eines ganzen Lebens) um eine Entscheidung zu treffen: Wenn ein Migrant im Winter spät abends an die Tür klopft und um Einlass bittet; wenn das Krankenhaus um die Aufnahme einer obdachlosen Frau bittet, weil es selbst „nicht über die Rahmenbedingungen verfügt, die Läuseplage derselben zu behandeln“; oder wenn die Sozialdienste eine in Not geratene Familie weiterschicken müssen, weil die „gesetzliche Handhabe zur Hilfe“ fehlt, schiebt das HdS den Gesetzestürsteher auf die Seite, und handelt. Selbst die eigenen Regeln und Normen werden gebrochen, wenn es eine gewisse Situation verlangt.

Unmögliches wird möglich

Als privater Verein ist das möglich. 8 Jahre lang hat ein ehrenamtlicher Vorstand mit seinem Privatvermögen für diese unkonventionelle, unbürokratische Hilfe gehaftet. Dafür wird das HdS gerade auch von den öffentlichen Einrichtungen geschätzt und genutzt.

Zeit für Menschen

Und so kommt es, dass Aufnahmegespräche im HdS maximal 15 Minuten dauern, die Mitarbeiter 90 Prozent der Zeit den Gästen widmen und mit 2 Vollzeit- sowie einer Teilzeitkraft im Durchschnitt 40 Menschen in schwierigen Lebenslagen unterkommen. Versicherungen gibt es nur die allernötigsten und der Papierkram pro Gast erfordert nicht mehr als 10 Minuten.

Fahrlässigkeit?

„Verantwortunglos und riskant!“, könnte manch einer meinen und dem HdS-Team Fahrlässigkeit vorwerfen. Oder eine lange Liste von Regelverstößen ausmachen.

Hausverstand?

Oft aber gebietet der Hausverstand den Mitarbeitern, das Gesetz schief anzuschauen. Oft wägen sie ab zwischen Not und Normen und entscheiden sich meistens für ersteres. Oft stellen sie fest, dass das Schwarz-Weiß der Gesetzesbücher der bunten Vielfalt der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Vor allem aber ist es die Erfahrung: Je weniger Gesetze und Regeln, desto friedlicher, freier und sicherer funktioniert das Zusammenleben…

„Der Mann vom Lande“ wäre unter diesen Voraussetzungen schon längst da, wo er hinwollte.