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Weihnacht – oder wenn die Nacht zum Tag wird und Ahornsamen fliegen

Liebe Freundinnen und Freunde des Hauses der Solidarität “Luis Lintner”,

Herbst. Wenn es Herbst wird, fallen Blätter herab. Hie und da sehen wir die Samen von Ahornbäumen – kleinen Hubschraubern gleich – durch die Luft flattern. Nicht nur Kinder lieben es, dem Rotieren zuzuschauen. Auch uns Erwachsenen geben diese Luftakrobaten ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit, eine Ahnung von Neubeginn und Hoffnung.

Herbst. Es gibt viele Menschen, die sich schwer tun, wenn der Herbst die Dunkelheit ins Land holt. Der Frühling ist fern. Freiheit, Leichtigkeit, Hoffnung scheinen weit weg. „Das schlägt aufs Gemüt“, hört man sagen, wenn die langen, rauen Nächte das Zepter in die Hand nehmen und die Morgendämmerung nicht aufwachen will. Wohl denen, die allabendlich ins kuschelige Bett schlüpfen und diesen Moment bewusst und dankbar genießen können.

Immer mehr Menschen können von diesem Wohlfühl-Moment nur träumen. Ihre Lebensrealität ist eine andere. Wenn zerdrückte, übereinander gestapelte Kartone die Matratze ersetzen, wenn der kalte Nordwind durch die Brückenpfeiler pfeift, reicht es oft nur für einen kurzen Halbschlaf, der unterbrochen wird, wenn die Kälte in die Knochen kriecht.

Glücklicherweise gibt es aber auch Oasen der Ruhe und Wärme, die von zahlreichen Organisationen und Einzelpersonen geschaffen und betreut werden. Ahornsamen, die durch den kalten Herbsthimmel drehen… Durch sie verliert die Nacht ihren Schrecken, die Einsamkeit ihre Kraft. Zumindest für manche.

Das verlässliches Da-Sein dieser Menschen und Organisationen für andere ist jedoch kein Freibrief, die politische Verantwortung für die Ursachen von Armut und Elend auszublenden.

So sehr es helfende Hände und beschützende Strukturen auch braucht – die erste Verantwortung für eine Situationsverbesserung liegt bei den Betroffen selbst. Das klingt hart, mag gelegentlich auch eine verkürzte Sicht der Dinge sein, aber ganz außer Acht lassen sollen wir diese Perspektive nicht. Auch nicht in der emotionsgeladenen Weihnachtszeit. Der Boden muss zuerst bereitet sein und das liegt bei den Menschen selbst. Doch dann braucht es die Samen, Boten der Hoffnung, die etwas Neues wachsen und entstehen lassen.

Diese Botschaften der Hoffnung kommen von vielen Einzelpersonen, Organisationen und öffentlichen Einrichtungen. Sie versuchen 365 Tage lang, Samen zu säen und die zarten Pflanzen des Neuen, die daraus erwachsen, zu schützen und zu hegen, Hoffnung und Neubeginn zu ermöglichen. Sie versuchen, die Botschaft von Weihnachten Wirklichkeit werden zu lassen. Ganz bewusst rücken wir sie in den Mittelpunkt.

Vor 40 Jahren entstanden die ersten Selbstbesteuerungsgruppen in Südtirol. Sie waren die Basis für die spätere Gründung der oew-Organisation für Eine solidarische Welt. Und aus ihr wuchs der Gedanke, ein Haus der Solidarität wachsen zu lassen als einen Ort, an dem die Geburt der Lebensfreude nicht auf einen einzigen Abend im Jahr reduziert wird – ein Ort, an dem Ahornsamen fliegen  …

… sie fliegen durch die kalte Winternacht. Zeichen der Hoffnung, der Freiheit, des Lebens.

In diesem Sinne, ein gesegnetes und Frohes Fest all jenen, die jahraus jahrein Hirten der Nächstenliebe geworden sind – Ahornsamen im Himmel.

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