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Lautlose Gaukler der Lüfte und des Hauses

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Unterstützerinnen und Unterstützer des Hauses der Solidarität,

 

was wäre eine Blumenwiese ohne Schmetterlinge, ohne diese geräuschlosen Gaukler der Lüfte? Das fragen wir jetzt im Winter, wo die Zeit der Entfaltung der Schmetterlinge vorbei ist – oder wieder bevorsteht. Im Haus der Solidarität ist Entfaltung nicht von der Jahreszeit abhängig, sondern vielmehr von den Lebensumständen der Menschen und von den Möglichkeiten, die ihnen geboten werden.

 

Mit rund 170.000 bekannten Arten sind Schmetterlinge eine der größten und beliebtesten Insektengruppen auf der Erde. Sie können von zwei Millimeter bis zu sieben Zentimeter lang werden, ihre Flügelspannweite reicht von drei Millimetern bis zu 32 Zentimetern. Ihre Vielfalt ist unendlich. Es ist wie bei den Menschen. Rund 7,68 Milliarden Menschen leben auf der Erde – 7,68 Milliarden Wünsche, Talente und Möglichkeiten. Rund 120 Gäste haben heuer im Haus der Solidarität gelebt – mit ihren Sorgen und Nöten, mit ihren Einfällen und Potenzialen.

 

Schmetterlinge verwandeln sich in vollständiger Metamorphose vom Ei zur Raupe und verpuppen sich, bis dann der Falter schlüpft. Menschen gelangen durch widrige Umstände in schwierige Lebenslagen, bekommen mit externer Unterstützung wieder Halt und richten sich eigeninitiativ auf.

 

Solche Entfaltung erleben wir tagtäglich im Haus der Solidarität:

 

Wir nennen sie Klara. Klara ist eine zupackende Frau und alkoholkrank. Keine Arbeit ängstigt sie. Dem Alkohol hat sie schon oft den Rücken gekehrt und sich ihm immer wieder zugewandt. Die begonnenen Therapien und wiederkehrenden Rückfälle hat sie nicht gezählt. Heuer im Frühjahr hat sie entschieden: So kann es nicht mehr weitergehen. Der Entzug war hart, Medikamente unterstützen sie bis heute. Sie hat keinen Alkohol mehr angerührt.

 

Wir mögen den Namen Sunita; sie auch. Sunita ist zwölf Jahre alt. Ihre Familie ist vor zehn Jahren in Afghanistan aufgebrochen und über den Iran, die Türkei und Griechenland schließlich nach Italien gekommen. Die Familie hielt sich über Wasser. Vor mehr als einem Jahr verlor sie wieder alles. Ein Jahr war die Familie einmal hier, einmal dort. Ein Jahr lang konnte Sunita keine Schule besuchen. Im Herbst 2018 wurde sie in Brixen eingeschult. Das Zeugnis im Frühjahr hat alle überrascht, ihre Deutschkenntnisse auch. Sunita geht auch im zweiten Schuljahr gerne in ihre Klasse.

 

Auch Abdus gibt es immer wieder im HdS. Abdu kam ins HdS und entfaltete seine gute Laune im ganzen Haus, auch wenn er selbst Folter erlebt hat und von seiner Familie getrennt ist. Wenn seine Schmerzen nicht zu groß waren, hat er alle mit einer Tasse Kaffee oder Tee beglückt und mit seinem Humor. Abdu hat inzwischen eine Miniwohnung in Meran gefunden und hofft, dass er bald seine Familie wiedersehen kann.

 

Das HdS selbst entfaltet seine wahre Stärke immer dann, wenn es zu Momenten der Begegnungen kommt: bei den interkulturellen Abendessen, Schulbesuchen, Feiern und Jubiläen im Haus und mit den Gästen des Hauses. Die nüchternen (statt monotonen) Mauern werden zu einem bunten Mosaik bestehend aus Kennenlernen, Freude und Wertschätzung.

 

Wir freuen uns über kleine Betriebe. Sie geben Hausbewohnerinnen und Hausbewohnern immer wieder eine Chance zur Mitarbeit oder einen Lehrlingsplatz. Mehrfach ist heuer eine feste Anstellung daraus geworden: beispielsweise in einer Käserei, beim Radmechaniker und in der Autowerkstätte. Diese Handwerker haben vorhandene Ängste und Vorurteile überwunden. Geholfen ist beiden: Arbeitnehmern wie Arbeitgebern.

 

Wir sind stolz auf unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind das Rückgrat des Hauses und ermöglichen uns, dass der Schmetterling HdS seine schönen Flügel ausbreitet und abhebt. Sie hören zu, begleiten, unterrichten, kochen, putzen, reparieren, reflektieren, … schenken Zeit und Herzblut.

 

Und wir haben junge engagierte Kolleginnen in der Hausleitung. Es braucht Kraft bei der Arbeit mit Menschen in schwierigen Situationen. Immerhin begleiten wir jährlich 120 Menschen, Familien, Einzelpersonen. Die positive Energie, die unsere neuen Mitarbeiterinnen ins Haus bringen, weht wie frischer Atem durch die Mauern und in die Räume. In dieser lichten, weichen Atmosphäre lässt sich gut arbeiten.

 

Den beigelegten Schmetterling haben Frauen von LyLa gefaltet. LyLa ist ein Projekt für psychisch kranke Frauen. Nach 3 Jahren Zugehörigkeit zum Haus der Solidarität hat LyLa heuer Flügel bekommen und sich zur Lebenshilfe verabschiedet.

 

Wir freuen uns über solche Entfaltungen, über Menschen und Talente, die sich aufrichten, wachsen und weiterziehen. Und wir halten es mit Max Frisch, der sagte: „Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur.“ Dafür braucht es Zeit, Raum und Freiheit.

 

Als Freund*in und Förderer*in des HdS unterstützen Sie diese Entfaltungsprozesse. Dafür danken wir und wünschen Ihnen frohe Weihnachten!

 

 

Andreas Penn Karl Leiter Camilla Moroder Alexander Nitz Lou Varesco
Vorsitzender Hausleitung

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