Im Rahmen meines Studiums der Musik- und Bewegungsorientierten Sozialen Arbeit an der OTH Regensburg in Deutschland hatte ich die Möglichkeit, mein praktisches Studiensemester von Oktober 2018 bis März 2019 im Haus der Solidarität in Brixen zu absolvieren.Meine Kerntätigkeit bildete die selbständige Begleitung einzelner Gäste und das Hinarbeiten auf verschiedene, individuelle Ziele mit ihnen. Je nach Person konnten das z.B. musikpädagogische Angebote, Unterstützung beim Spracherwerb, Unterstützung bei der Tagesstruktur, Freizeitangebote, regelmäßige Hausaufgabenhilfe, verstärkte Einbindung in die täglichen Aufgaben des Hauses oder regelmäßige Gespräche sein.
Zum täglichen Aufgabenspektrum mit den Hausgästen gehörte außerdem die aktive Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche in Form von Sichtung der Arbeits-und Wohnungsangebote, Erstellung von Bewerbungen, Kontaktaufnahme mit Arbeit- und Wohnungsgeber*innen und Vorbereitung auf die entsprechenden Termine. Nebenbei bekam ich auch interessante Einblicke in die Arbeit von NGOs, die sich von der Öffentlichkeitsarbeit über Netzwerkarbeit bis hin zur kreativen Spendenakquise als sehr vielseitig, aber auch herausfordernd herausstellte.
Ein besonders wichtiges Projekt war für mich die aktive Teilnahme und Begleitung der „Bettlerakademie“. Hier habe ich die wöchentlichen Treffen, deren Kerninhalt der Sprachunterricht ist, die aber hauptsächlich auch als Raum für allerlei formeller und persönlicher Anliegen dient, besucht und mitgeleitet. Es fanden in diesem Rahmen auch Besuche in Schulklassen und weitere Begegnungen und Austausch mit Entscheidungsträgern der Lokalpolitik und Experten statt.
Einen guten Zugang zu den Studenten der Bettlerakademie fand ich, indem ich selbst aktiv als Sprachschülerin am Italienischunterricht teilnahm und mich so zunächst auf einer Ebene des Kenntniserwerbs mit ihnen befand.
Zu Beginn des Praktikums war es wichtig, erste Beobachtungen zur Organisation, zum Tagesablauf, zu den praktizierten Formen der Sozialarbeit, und zu den Hausgästen anzustellen. Ich wurde hierzu auch gebeten, eine Liste über Dinge zu führen, die mir im Haus positiv oder negativ auffallen. Die Hausleitung schätzt diese Außenperspektive sehr, denn sie geht schnell verloren, sobald man sich eingewöhnt und Teil des Hausorganismus geworden ist. Auch meine Perspektive hat sich im Verlauf des fast 6-monatigen Praktikums sehr verändert und intensiviert.
Ich wurde mit so viel Herzlichkeit, Offenheit und Wertschätzung im HdS empfangen – seitens der Mitarbeiter*innen wie besonders auch der Hausgäste – dass es mir leicht viel, mich gut einzuleben und ich den Mut hatte, eigene Ideen umzusetzen und konstruktiv zu arbeiten.
Neben den vielen neuen Eindrücke und Erfahrungen auf fachlicher Ebene, die meinen Handlungsspielraum und meine Fachkompetenz wie oben beschrieben erweitert haben, spielte die Wahl meiner Praktikumsstelle im Ausland auch eine bedeutende Rolle für meine persönliche Weiterentwicklung. Selbst wenn es sich bei diesem Auslandsaufenthalt „nur“ um das nähere europäische Ausland handelte, habe ich die Phasen und Aspekte von internationalen Erfahrungen erleben dürfen. Sich in einer neuen Umgebung zu etablieren, die Gesellschaftsdynamiken vor Ort zu verstehen, soziale Kontakte zu knüpfen, eine neue Sprache zu erlernen und sich zumindest kurzzeitig als Fremde*r zu fühlen bringt wichtige Lernprozesse und Erfahrungen in Gang und erweitert den eigenen Horizont um ein Vielfaches.
Für mich stellte Südtirol einen kleinen Mikrokosmos dar, der es mir durch seine überschaubare Größe und seine innere Abgeschlossenheit wegen des Autonomiestatus in Ansätzen möglich machte, einen Überblick über die Kulturlandschaft, die Regionen, die sozialen Netzwerke und die lokale Politik zu gewinnen. Dieser Erkenntnisgewinn, die zahlreichen wunderschönen Erlebnisse, Begegnungen und Freundschaften bereicherten mir meine Praktikumserfahrung ungemein und ich bin froh, mich für das Haus der Solidarität in Brixen als Praxisstelle entschieden zu haben.